Die Reformation „Wende des Mittelalters“?
Die Reformation, die mit Anschlagen der Lutherischen Thesen in Wittenberg begann, hatte nicht nur Auswirkungen auf die religiösen Verhältnisse in Deutschland, sondern auch auf die weltlichen Strukturen. Die Reformation war sozusagen die „Wende des späten Mittelalters“?
So wie wir die Wende vor 28 Jahren erlebt haben, veränderte die Reformation auch die Strukturen nicht nur in Deutschland sondern auf der ganzen Welt mit dem Unterschied, dass sie über mehr als hundert Jahre andauerte. Andererseits ist für mich die jüngste Wende auch noch nicht abgeschlossen, betrachtet man die immer noch sehr dynamischen Vorgänge heute.
Bisweilen wurde der dreißigjährige Krieg als ein Religionskrieg zwischen den katholisch regierten Ländern und den Reformierten dargestellt und damit in Verbindung mit der Reformation gebracht. Er war jedoch in erster Linie ein kriegerischer Konflikt um die Hegemonie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa. Die Konfliktursachen waren da sehr vielschichtig und komplex als das man ihn als „Religionskrieg“ bezeichnen könnte. Es bedurfte drei Anläufe bis der Krieg dann mit dem Westfälischen Frieden nach sieben Jahren Verhandlungen in Münster und Osnabrück 1648 beendet werden konnte.
Nach der ersten Zeit der Reformation, die Deutschland und Europa konfessionell spaltete, versuchten die katholischen und protestantischen Landesherren zunächst eine für beide Seiten akzeptable Ordnung und Mächtegleichgewicht zwischen den Konfessionen zu finden. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 einigte man sich schließlich auf die Formel: Herrschaft bestimmt das Bekenntnis. Somit hatten die Landesherren das Recht, die Konfession der ansässigen Bevölkerung zu bestimmen. Gleichzeitig wurde aber auch das Auswanderungsrecht eingeführt, dass es Personen einer anderen Konfession erlaubte auszuwandern. Auch die Besitzverhältnisse wurden so geregelt, dass es keine weiteren Verschiebungen zwischen katholischen und protestantischen Besitzungen mehr geben sollte. Man kann sich vorstellen, dass bis 1555 das Gerangel um bisher katholische Besitzungen groß war.
Am Beispiel des Klosters Dobrilugk beschreibt Dr. Rudolf Lehmann in seinem 1925 erschienen Buch „Aus der Vergangenheit der Niederlausitz“ einen solchen Vorgang. Die Begehrlichkeit der Wettiner ( sächsisches Königshaus) geht bis in die erste hälfte des 15. Jhd. zurück. Im Zuge der Reformation wurde dieses Bestreben wieder aufgegriffen das reich begüterte Kloster wieder einzuverleiben, was einst von ihnen gegründet wurde. So wurden Beschwerden aus dem kursächsischen Städtchen Wahrenbrück aufgegriffen. Dort war zur Zeit als Priester ein Mönch aus dem Kloster Dibrilugk eingesetzt. Die Gemeinde wandte sich aber der Reformation zu und verlangte vom Geistlichen wiederholt, “dass er die Wahrheit der Evangeli lauter und klar wollt predigen und von seinen falschen Predigen absehen sollte“. Der Mönch kümmerte sich aber nicht um diese Beschwerden. Nun hatten die Bürger noch anderes vorzutragen: Dass sich der Mönch vor einigen Jahren in die Pfarre eingedrängt hätte, dass das Kloster zu Schaden des Gemeinwohls braute und dass etliche Stadtäcker zu Unrecht in Besitz genommen waren. „Auch haben sie einen sunderlichen Zins auf die armen Leute getrieben, den nennen sie Rauchzins und da muss etlicher 1 Groschen 12 alte Pfennige und einen halben Scheffel Korn geben und weiß niemand warum oder was sie darum tun“. Auch andere Abgaben aus Anlass der Taufe und ähnlichem wurden beklagt. Das Ganze mündete in der Bitte an den Landesherren, sich selbst einen Priester zu wählen und Kommissare zur Untersuchung der vorgebrachten Dinge zu entsenden. Der Abt Baltasar aber wies in einem Schreiben vom 27. März an den Amtmann zu Liebenwerda, Hans von Minkwitz, die Anschuldigungen zurück, dass das Kloster die Pfarre unrechtmäßig in seinen Besitz gebracht habe und ersuchte ihn, die Dinge wenigstens vorläufig so zu belassen, wie sie seien, da der Priester versprochen habe, den Leuten von Wahrenbrück Gottes Wort nach evangelischer Lehre zu predigen. Desweiteren bat er den Amtmann den Mönch in Schutz zu nehmen, sollte es wie in zuvor in „Torgaw“ im Kloster „gescheen wher, domit sie ie (für immer) der Monche loswurden“.
Anfang 1526 wurde ein anderer Abt gewählt, der die neue Lehre in den Klosterdörfern duldete und sich auch mit dem Kurfürsten von Sachsen einließ. Es begann ein Gerangel um die Klosterdörfer zwischen dem Kurfürsten und dem Abt, was letztlich darin mündete, dass der Abt aus dem Klostervorwerk Graditz an der Elbe einige Klosterinsignien und Geräte (Wert etwa 13 000 Gulden) einfach mitnahm. Erst viele Jahre später wurde über dieses Vergehen eine Einigung erzielt. In Torgau wurde festgelegt, dass der Abt binnen vier Wochen das Klostervorwerk abtreten soll und die entführten Kleinodien abliefert. Entschädigt wurde der Abt Mönch mit einer jährlichen Pension von 200 Gulden.
Liebe Leser: Wiederholt sich die Geschichte nicht immer wieder? Wendehälse gab es damals schon - Profiteure und Verlierer. Mit einem Gebet eines Pfarrers aus dem Jahre 1864 (Veröffentlicht im „Füllhorn“ 1992) möchte ich meinen kleinen Beitrag zur Reformation beschließen, das heute passt, wie offensichtlich vor 150 Jahren:
"Lieber Gott und Herr
Setze dem Überfluss Grenzen und lass die Grenzen überflüssig werden. Nimm den Ehefrauen das letzte Wort und erinnere die Ehemänner an ihr Erstes. Gib den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung. Schenk uns und unseren Freunden mehr Wahrheit und der Wahrheit mehr Freunde. Bessere solch Beamte, die wohl tätig aber nicht wohltätig sind und lasse die, die rechtschaffend sind auch Recht schafften. Sorge dafür, dass wir alle in den Himmel kommen aber, wenn Du es willst, noch nicht gleich! "
Johannes Wurms